Mittwoch, 27. August 2025

Der Haka

 

Der Haka

Es war zwölf Uhr mittags in Skid Row, Los Angeles. Die Sonne brannte heiss vom Himmel und es wehte nur ab und zu eine sanfte Brise vom Meer her. Überall stank es nach Fäkalien. Den Menschen hier war einfach alles egal. Solange sie nur Fetty hatten, wie Fentanyl auf der Straße genannt wurde. Normalerweise hätte Jackson sich jetzt in seinem Loch verkrochen und die Nacht abgewartet, aber sein Stoff war alle. Wenn er den Tag noch bis zur Nacht überstehen wollte, brauchte er dringend Fentanyl. Aber sein Dealer gab ihm nichts mehr, nicht ohne frisches Geld. Also war Jackson auf Beutezug gegangen.

Tama Kauri war schwer angepisst. Sein Stamm hatte ihn den langen Weg von Maui hierhergeschickt und ihm keine klare Aufgabe zugewiesen. Hätte er doch bloß sein dummes Maul gehalten. Seit einem Jahr hatte er immer wieder denselben wiederkehrenden Traum. Von Zelten, Müllbergen und Menschen, die wie Schattenwesen dazwischen umhergingen. In seinem Traum suchte er unentwegt nach irgendetwas, fand es aber nie. Obwohl irgendein leuchtendes Ding, oder jemand permanent in der Nähe zu sein schien. Es waren keine Albträume. Aber die Maori sahen das als Zeichen und so schickten sie ihn los. Und so lief er nun, nur mit Handgepäck, durch das schlimmste Viertel von Los Angeles. Unbewaffnet und mit nur wenig Geld, aber einer Mission.

Jackson sah den Mann kommen. Ein Polynesier mit einer Reisetasche. Sah aus wie ein Tourist, harmlos. Sonst war niemand auf der Straße, es war einfach zu heiss, zu stickig. Die Luft roch nach verbranntem Plastik und anderem Müll. Warum machte man bei den Temperaturen noch ein Feuer?  Er griff noch einmal in die Hosentasche, das lange Springmesser war da und funktionierte. Es wurde Zeit. Jackson fror und schwitzte gleichzeitig. Seine Hände zitterten nicht nur vor Aufregung, er war außerdem voll auf kalten Entzug. Der Cold Turkey hatte ihn voll im Griff.

Dann stand Tama Kauri vor ihm, allein in einer schmalen Gasse. Ohne den Entzug wäre ihm das seltsam vorgekommen, aber so? Jetzt oder nie! Jackson ging auf Tama Kauri zu und hielt sein langes Messer ausgestreckt vor sich, fast so als wäre es ein Schutzschild.

GIB MIR DEIN ZEUG, ARSCHLOCH!!!“, brüllte er aus Leibeskräften,
in dieser Gegend würde niemand zu Hilfe kommen.

NA LOS AUF DEN BODEN DAMIT!!“, fauchte er nochmal mit Nachdruck.

Tama Kauri sah den Mann, und er sah die Angst und Verzweiflung in seinen Augen. Und er dachte an seine Vision. Dieser Mann würde bald sterben, das war offensichtlich. Auf die eine oder andere Weise. Aber war er die Mission?

Aus der Art, wie er das Messer hielt, schloss er messerscharf, daß er es ihm mit Leichtigkeit würde abnehmen können. Aber wozu sich in Gefahr begeben?

Er stellte die Tasche langsam neben sich, als würde er sich demütig fügen. Doch dann richtete er sich auf, streckte die Brust heraus, stampfte mit einem donnernden Schlag den Fuß auf den Asphalt und plötzlich hallte ein Klang durch die schmale Gasse, roh und uralt.

„Ka mate, ka mate! Ka ora, ka ora!“

Seine Stimme grollte, während seine Hände mit wuchtigen Schlägen auf Brust und Oberschenkel krachten. Die Augen rissen sich weit auf, die Zunge schnellte heraus, und das Echo seines Schreis schien die Mauern selbst erbeben zu lassen.

Jackson wich zurück. Was zum Teufel war das denn?!? Spielte der Typ nur? Was war das für ein Geschrei? Der Mann sah jetzt richtig stinksauer aus. Das Brüllen, Stampfen und Klatschen. Die Grimassen, die rausgestreckte Zunge … Wer griff hier jetzt wen an? Der Typ war anscheinend vollkommen Wahnsinnig!!

Vor Schreck ließ er das Messer fallen. Als Tama mit einer Grimasse und einem heiseren Schrei nachsetzte, drehte er sich um und floh, stolpernd, panisch, als gälte es, einem Dämon zu entkommen.

Ein Moment der Stille. Nur Tamas schwerer Atem und das Rauschen der fernen Stadt waren zu hören.

Dann klatschte es. Langsam, gemessen, drei Paar Hände.
Auf der anderen Straßenseite lehnten drei amerikanische Indianer an einem Geländer. Sie hatten das ganze Spektakel beobachtet, schweigend, mit verschränkten Armen. Nun nickten sie einander zu, als Juroren, die sich über eine Wertung einig waren.

Erster: „Neun Komma acht.“
Zweiter: „Ja. Kriegstanz.“
Dritter (mit einem Lächeln): „Nicht schlecht. Bleibst du in der Stadt?“

 


Mittwoch, 6. August 2025

Urians Zorn: Teil 6 - Geisterschnaps


 

🍺 „Geisterschnaps“

„Also, eigentlich trinke ich keinen Alkohol. Höchstens ab und zu mal. Außerdem ist es wirklich 
noch ein bisschen früh für Bier.“

Ernst ging die Sache diplomatisch an.

Und er musste an Melissa denken. Sie war wirklich ein hässlicher Vogel, aber total nett. Und 
extrem schlau. Sogar für seine gehobenen intellektuellen Verhältnisse.

Sie hatten sich an der Uni kennengelernt, wo Melissa Psychologie studierte. Sie hatte ihm von 
dieser seltsamen Dynamik unter Frauen erzählt:

Oft sind eine bildhübsche doofe und eine weniger attraktive, dafür aber blitzgescheite die besten Freundinnen.

Bei Männern sei das ganz ähnlich, sagte sie:

„Da siehst Du oft einen, der strunzdoof, aber groß und stark ist, mit einem anderen abhängen, 
der sehr schmächtig, dafür aber hochintelligent ist. Beide, sowohl die beiden Frauen, als auch 
die beiden Männer, bilden eine Art Symbiose. Der eine hat, was dem anderen fehlt. Sie ergänzen 
sich gegenseitig.“

Das war die Komplementaritätshypothese nach Prof. Dr. Prügel-Peitsch (1969)

„Im Sozialverhalten gleichgeschlechtlicher Dyaden neigen asymmetrische
Persönlichkeitsmerkmale zur dyadischen Stabilitätskompensation.“
Ein Merksatz wie Donnerhall, der ihm seitdem nicht aus dem Kopf ging.
Im Laufe seines Lebens musste Ernst oft daran denken. So wie jetzt gerade.

Denn trotz der ruppigen Begrüßung war ihm dieser Grobian irgendwie sympathisch. 
Und er hatte ganz offensichtlich Humor.

„Sag mal, wie heißt du überhaupt?“ fragte Ernst Urian geradeheraus.

„Ich bin Urian Kauffmann. Malermeister seit 1882, jetzt in fünfter Generation.
  Mein Opa hat schon bei Kaisers gestrichen!“

Antwortete Urian und streckte seine Ernst seine klodeckelgroße Hand zum Gruß entgegen.

„Und Du?“ fragte er zurück.
„Ich bin Ernst…“
„Ja, das sehe ich, aber ich wollte wissen, wie Du heißt.“ unterbrach Urian ihn.

„Apotheker Ernst Graumann, du Blödkopp, der Witz war ja mal richtig neu,
den hat vorher nie einer gebracht!“

Ernst grinste.

„Kein Bier vor Vier, is‘ schon klar. Aber irgendwo auf der Welt ist es immer 
schon Vier. Und ich hab jetzt Lust auf’n Bier, also komm, sei kein Frosch und 
komm mit.“ sagte Urian, drehte sich um und war weg.

„Urian?“ fragte Ernst und sah sich um. Die Rettungskräfte kamen gerade anmarschiert. 
Aber keine Spur von Urian.

„Ernst? Was is‘ nu‘? Brauchst Du noch ´ne extra Einladung?“ So, wie er verschwunden war,
war Urian aus dem nichts wieder aufgetaucht.

Ernst protestierte: „Du warst auf einmal weg, wo warst Du?“

„Ach, ja..“ antwortete dieser. „Wir sind ja jetzt Gespenster. Ich habe an einen schönen Kneipenabend gedacht und, schupps, war ich da. Hmm.. wie machen wir das? Gib mir mal Deine Hand.“
Ernst reichte ihm seine Hand, Urian verschwand und kam zurück.

„Mist, so wird das nix.“ fluchte Urian.

„Sieh mir mal in die Augen“ forderte Ernst Urian auf und dieser drehte sich langsam 
zu ihm hin und blickte ihm direkt in seine kalten stahlblauen Augen.
„Und jetzt?“ fragte Urian.

Ernsts Nase war eine gute Armlänge von Urians Gesicht entfernt. Dennoch spürte er gut die Macht, die nicht nur von den dunklen braunen Augen des Riesen ausging. Auch wenn er jetzt ruhig und sehr entspannt aussah.

„Jetzt denk noch mal an diesen Ort, an den Du wolltest.“ Forderte Ernst ihn auf.

Dieses Mal gelang es. Beide Männer materialisierten in einer urigen Kneipe.

„Ahhhh… na, geht doch!“ freute sich Urian.

Es gab hier keine Uhren, aber es musste wohl schon zu vorgerückter Stunde sein. 
Viele Menschen redeten durcheinander, aber sie schrien nicht. Es herrschte offensichtlich 
gute Stimmung, aber man musste nicht schreien um sich zu verständigen.

Über den Köpfen der Gäste schwebten sanfte Farbschleier. Gelb. Orange. Gold. Die Aura 
glücklicher Menschen. Warm und weich wie altes Licht in einem Kindheitszimmer.

Ernst und Urian nahmen beide die schimmernde Aura der Menschen wahr. Die einen 
schimmerten etwas mehr, andere etwas weniger. Aber ihnen allen schien es hier gut zu gehen.

„Sieht so Glück aus, eine goldgelbe Aura?“ dachte Ernst und sah Urian an. Aber auch der sah sich mit großen Augen um dieser Anblick war auch für ihn neu.

„Chef, zwei Bier!“ rief Urian in Richtung Tresen. Und wurde komplett ignoriert. Kein lebender Wirt nimmt Bestellungen von Geistern entgegen. Aber das war bei Urian noch nicht ganz angekommen.

Mit offenem Mund großen Augen und völlig verständnislosem Blick blieb er stehen.
Ach ja… verfluchtes Geisterdasein! Jetzt war der Groschen gefallen.

Ernst stand noch zwischen den Tischen und fühlte sich fehl am Platz. Urian hingegen hatte es sich am Tresen gemütlich gemacht, oder besser: schwebte lässig davor, die Ellbogen aufgestützt, ohne dass es physikalisch Sinn ergab. Niemand nahm sie wahr. Natürlich nicht. Sie waren tot. Und trotzdem hier.

„Schöne Bude“, murmelte Urian und deutete mit dem Kinn auf einen besonders ausgelassenen Tisch.
„Wenn ich noch was schmecken könnte, würde ich sagen: dunkles Bier, fettiger Flammkuchen und eine Prise Wochenendfrieden.“

Ernst beobachtete die Lichtschlieren, die sich wie Polarlichter über den Tisch zogen.
„Interessant. Die emotionale Grundfrequenz ist stabil. Euphorisch, aber nicht entgrenzt. Eine wohltuende Mischung.“

Urian verdrehte die Augen.
„Alter. Du sprichst wie ein scheiß Röntgengerät mit Doktortitel.“

Ernst wollte kontern, da geschah es.
Ein lautes Lachen. Übertrieben.

Zu laut. Zu breit. Zu viele Zähne. Der Typ am Ende des Tresens hatte eben der Bedienung auf den Hintern geklopft und nannte sie „Zucker“, als wäre er in einem schlechten 80er-Jahre-Film steckengeblieben. Seine Aura war trüb. Fast grau. Nur ganz tief darin ein dünner Streifen Restlicht.

Urian: „Ja, das mit dem Bier geht leider nicht mehr. Schade. Aber Pass auf, ich zeig dir was.
Hmmm… der da.“

Ernst: „Warum der?“
Urian: „Weil er das perfekte Opfer ist. Offensichtlich ein Arschloch, außerdem ist er der schwächste hier.“
Ernst: „Der schwächste? Im Ernst? So wie ich das sehe, könnte er Dir sein Motorrad 5-10 Meter weit hinterher werfen!“

Urian: „Ja, äußerlich. Aber hast Du mal, überlegt, warum diese Typen sieben Tage die Woche in der Muckibude sind? Na, los... komm mit.“

Urian schwebte vor, Ernst folgte neugierig, aber mit festen Schritten. Immer noch mehr Mensch als Geist.

Ernst hob warnend die Hand. „Ich bin mir nicht sicher, ob das ethisch vertretbar ist.“

Urian grinste.
„Ich nenn’s Weiterbildung. Für Dich und für Ihn.“

Er stellte sich direkt hinter den Mann und legte ihm die geisterhafte Hand ganz vorsichtig auf den Nacken. Dabei berührten seine großen Hände sowohl den Kopf, als auch die Schultern des Mannes.

Zunächst passierte nichts. Außer, daß der Po-Klatscher plötzlich stillstand. Der Typ hielt inne, wie ein Tier, das plötzlich das Heulen im Wald gehört hat.

Dann änderte sich seine Aura. Von schwachgrau zu leuchtend weiß. Kein Licht aus Lampe oder Kerze sondern etwas Lebendiges. Angst. Rein. Unverfälscht. Genau so wie bei Toni, nur viel stärker.

Seine Augen weiteten sich. Der Atem wurde flach.
Dann drehte er sich abrupt um. Niemand. Nur Leere.
Er rieb sich über den Nacken. Zitterte kurz.

Ernst war wie elektrisiert.
„Faszinierend. Angst scheint über den epigastrischen Bereich diffus wahrnehmbar zu sein.
Könnte man klassifizieren… vielleicht als psychoplasmatische Resonanz?“

Urian schloss die Augen, sog die Luft ein, als würde er ein Glas kippen.

Dann grinste er.

„Ich nenn’s einfach Geisterschnaps.“

Ernst: Ich frage mich, ob man das auch in Flaschen abfüllen könnte.“
Urian: „Was glaubst du, warum der Vatikan Angst vor Gespenstern hat?“

 

In einer ganz anderen Ecke weit hinten in der Kneipe sitzt Marvin und spielt mit ein paar Freunden Dungeons and Dragons, ein Fantasy-Rollenspiel. Er ist voll und ganz in seinem Element.

Vier Gläser, ein Haufen zerknitterter Charakterbögen, bunte Würfel. Ein Spieler in einem schwarzen T-Shirt mit dem Aufdruck „+2 auf Sarkasmus“ trug gerade den Kampfbericht gegen einen untoten Lich vor.

Marvin hob beschwörend den Arm.
„Ich wirke Detect Evil and Good auf die Aura dieses Wesens.“
Er sah dabei so konzentriert aus, als würde er wirklich die Geisterwelt durchdringen.

Bis er Ernst und Urian sieht. Ja, Wirklich sieht, und ihm alles wieder einfällt, was ihm
Oma Rosa immer erzählt hat und worüber er immer gelacht hat.

 

Dienstag, 5. August 2025

Urians Zorn: Teil 5 Geister Ernst und der Wutbürger


 

Jetzt gibt es kein Halten mehr für Urian Kauffmann. Er weiß das er tot ist und er weiß auch, was ihn all die Jahre so gekitzelt hat, daß er bei jeder Gelegenheit explodiert.

Wie aus der Kanone geschossen rast er los, ihm egal in welche Richtung. Wie ein wildes Tier brüllt er aus Wut und Schmerz und rast direkt durch die Decke ohne es zu merken.

Als er das Eisen so großmäulig stemmte, hatte er plötzlich das Gefühl ein riesiger Elefant würde sich auf seine Brust setzen. Dann spürt er plötzlich einen Schlag, keinen so vertrauten Faustschlag wie aus seiner Jugend. Nein, es fühlte sich mehr so an, als würde ihn eine unbegreifliche Kraft in zwei Teile reißen. Als hätte ihm jemand das Rückgrat durch die Brust herausgerissen.

Er greift sich an die linke Brusthälfte, spürt den Schmerz, den Druck, das Brennen und begreift: Jetzt. Kein Zorn mehr, keine Kraft mehr, nur Stille.

Er ist allein. Die Wut, sie ist noch bei ihm, aber jetzt kann er sie klar benennen.

Sie beherrscht ihn nicht mehr.

Aber sie begleitet ihn weiter.

Jetzt: Still.

Aber er ist immer noch sauer, aber jetzt eben gerade, weil er tot ist. Er bemerkt, daß er schwebt, hoch über dem Haus in dem er mit seinem Kollegen Toni seit über einer Woche gearbeitet hat. Aber im Gegensatz zu Ernst, hat Urian überhaupt keine Probleme damit sein Geisterdasein zu akzeptieren.

Ganz im Gegenteil, er fühlt sofort die Macht die ihm dieser Zustand verleiht und so sinkt er wie eine Kanonenkugel wieder runter, da wo sein toter Körper jetzt im Eisenkeller liegt. Toni kniet neben ihm und hat den Notruf gewählt und gibt gerade die Adresse durch. Aber beide wissen, daß es schon zu spät ist. Urian, weil er als Geist danebensteht und sein Kollege Toni, weil Urians Mund und Augen weit aufgerissen sind. Toni ist kein Arzt, aber er hat genügend Actionfilme gesehen, um beurteilen zu können, wann jemand Mausetot ist. Deshalb gibt er sich auch keine Mühe mit Mund-zu-Mund Beatmung oder Herzdruckmassage. Außerdem steht Toni steinstarr unter Schock.

Urian greift nach Tonis Arm. Seine geisterhafte Hand durchdringt ihn mühelos, aber als sie sich auf dessen Bauchhöhe senkt, zuckt der plötzlich zusammen.
Eine Sekunde später krümmt er sich, greift sich an den Magen.
„Verdammt, was…?“ stöhnt er.

Urian grinst. Dann seufzt er.
War’n netter Kerl, der Toni.
Er kann nichts dafür.. er zieht seine Hand zurück. Und dann sieht er es.

Um den Körper des Mannes herum wabert plötzlich ein Schimmer.
Weiß. Sanft. Wie Licht, das durch junge Blätter fällt. Er spürt sofort, daß es Tonis Angst ist.
Und dieser Geruch… wie ein Frühlingsmorgen im April, mitten in dieser stickigen Muckibude ohne Sonnenlicht.

Urian runzelt die Stirn.
Was zum Teufel war das?

Er atmet tief ein, Geist hin oder her, in der Vorstellung von sich selbst hat er immer noch einen Körper.

Und spürt… etwas.

Wie ein Prickeln in der Brust.

Wie Leben.

Ein bisschen davon.

Wie ein Hauch Erinnerung, wie ein Schwips.
„Heilige Scheiße…“, murmelt er. „Das schmeckt ja… echt.“

Jetzt wird es Urian doch ein bisschen unheimlich und er denkt:

„Bin ich jetzt ein Vampir? Aber Vampire trinken doch Blut, keine Angst.“

Urian will gerade das Fitnessstudio verlassen und andere Menschen erschrecken, da materialisiert,
ohne Vorwarnung, Ernst Graumann im Raum. Und während Ernst noch die neue Umgebung wahrnimmt, den Raum scannt und die Lage sondiert, wird er auch schon von Urian angeblafft:

„Hey, Du! Bist du auch so’n verficktes Gespenst?!“

Urian versucht instinktiv, Ernst anzugreifen, er holt aus wie ein Boxer, der einen LKW stoppen will.
Doch seine Faust rast durch Ernsts Brust, als wäre sie aus Rauch. Naja, irgendwie ist das ja auch so.

„Mann, was bist Du denn für einer? Kannst du nicht mal richtig rumstehen?!“

Ernst hebt nur die rechte Augenbraue und konstatiert „Faszinierend, Ihre Energie zeigt eine Amplitudenmodulation im Frequenzbereich menschlicher Aggression.“

Urian rollt mit den Augen:

„Mann! Laberst du immer so’n Scheiß? Oder bist du nur tot und bescheuert?“

Doch dann merkt Urian: Dieser Spinner könnte nützlich sein.

„Wenn du so schlau bist: weißt du, wie man als Geist Bier trinkt? Komm, wir gehen in ’ne Bar.
Ich wette, ich kann Leute zum Kotzen bringen, wenn ich ihnen ins Hirn furze.“

Ernst ist entsetzt… aber auch fasziniert von der Möglichkeit, Emotionen zu manipulieren.

„Also“ grinste Urian und rieb sich die Hände. „Willst du mitkommen und was erleben, oder soll ich dir erstmal ’ne Formel auf ’n Grabstein ritzen?“

Ernst seufzte. Es würde ein langer Tod werden.